Bonnie E. John

Bonnie E. John

Bonnie Elizabeth John gehört zu den herausragenden Persönlichkeiten im interdisziplinären Spannungsfeld zwischen Kognitionswissenschaft, Informatik und Künstlicher Intelligenz. Ihre Arbeit steht exemplarisch für die erfolgreiche Integration psychologischer Erkenntnisse in die technische Systemgestaltung und prägt bis heute die Art und Weise, wie Mensch-Maschine-Interaktion im Zeitalter intelligenter Systeme verstanden wird.

In Zeiten, in denen KI-Systeme zunehmend in Alltagsprozesse integriert werden und Entscheidungsprozesse algorithmisch mitgestalten, rückt die Frage nach der Benutzerzentrierung, Transparenz und Vorhersagbarkeit in den Vordergrund. Genau hier setzt John an: Sie entwickelte modellbasierte Methoden, mit denen sich menschliches Verhalten systematisch beschreiben, simulieren und evaluieren lässt – ein entscheidender Beitrag zur erklärbaren und vertrauenswürdigen KI.

Ziel dieses Essays ist es, die wissenschaftliche Karriere von Bonnie E. John nachzuzeichnen, zentrale Beiträge und Theorien vorzustellen und ihren nachhaltigen Einfluss auf die heutige Forschung im Bereich der Human-Centered AI zu beleuchten. Dabei steht insbesondere ihre Rolle als Brückenbauerin zwischen kognitionspsychologischer Grundlagenforschung und angewandter KI-Entwicklung im Fokus.

Kurzüberblick: Bonnie E. John im Kontext der KI-Forschung

Bonnie E. John promovierte an der Carnegie Mellon University, einem der weltweit führenden Zentren für KI-Forschung, und war dort maßgeblich am Aufbau des Human-Computer Interaction Institute (HCII) beteiligt. Ihre Arbeiten fußen auf dem von Allen Newell geprägten Paradigma der kognitiven Architekturen und zielen auf die Formalisierung menschlicher Denk- und Handlungsmuster zur Verbesserung technischer Systeme ab.

Eines ihrer bekanntesten Beiträge ist die Weiterentwicklung der sogenannten GOMS-Modelle (Goals, Operators, Methods, Selection rules), mit denen sich Benutzerinteraktionen mathematisch modellieren lassen, etwa in der Form von Zeitvorhersagen oder Interaktionskosten. Diese Modelle lassen sich formal darstellen, beispielsweise als:

\(T_{total} = \sum_{i=1}^{n} t_i\)

wobei \(T_{total}\) die Gesamtzeit einer Aufgabe und \(t_i\) die Zeit für den i-ten Handlungsschritt bezeichnet.

Darüber hinaus entwickelte sie mit dem „Cognitive Walkthrough“ ein systematisches Verfahren zur Bewertung der Lernbarkeit interaktiver Systeme – eine Methodik, die sich inzwischen als Standardinstrument in der HCI- und KI-Evaluation etabliert hat.

Ihre Denkweise ist exemplarisch für eine KI-Forschung, die sich nicht allein auf algorithmische Leistungsfähigkeit konzentriert, sondern den Menschen in den Mittelpunkt der Systementwicklung stellt.

Aufbau der Arbeit

Der folgende Essay ist in zehn inhaltliche Kapitel untergliedert, die systematisch die akademische Laufbahn, die theoretischen Beiträge sowie den praktischen und wissenschaftlichen Einfluss von Bonnie Elizabeth John untersuchen:

  • Kapitel 3 beleuchtet ihre frühen Jahre, ihre Ausbildung und die wissenschaftliche Prägung.
  • Kapitel 4 thematisiert ihre Rolle an der Carnegie Mellon University und ihren Beitrag zur Etablierung interdisziplinärer Forschung im Bereich der Mensch-Technik-Interaktion.
  • Kapitel 5 widmet sich der GOMS-Familie und der Bedeutung ihrer Modellierungen für die KI.
  • Kapitel 6 stellt den Cognitive Walkthrough als kognitionsbasierte Evaluationsmethode vor.
  • Kapitel 7 diskutiert Johns Rolle als Vermittlerin zwischen Psychologie und KI-Design.
  • Kapitel 8 analysiert ihr Engagement in Industrieprojekten, vor allem bei IBM Research.
  • Kapitel 9 beschreibt ihren Einfluss auf die wissenschaftliche Community und ihren Beitrag zur Nachwuchsförderung.
  • Kapitel 10 fasst ihre wissenschaftliche Rezeption und den bleibenden Einfluss auf die KI-Forschung zusammen.
  • Kapitel 11 schließt mit einem Fazit und Ausblick auf künftige Entwicklungen im Sinne ihrer Forschungsphilosophie.

Abschließend enthält der Essay ein strukturiertes Literaturverzeichnis, das die verwendeten Quellen nach wissenschaftlichen Kategorien sortiert.

Frühe Jahre und akademischer Werdegang

Ausbildung und akademische Prägung

Studium an der University of Michigan (Psychologie und Informatik)

Bonnie Elizabeth John begann ihre akademische Laufbahn an der University of Michigan, wo sie ein interdisziplinäres Studium in Psychologie und Informatik absolvierte – eine damals noch ungewöhnliche Kombination, die sich später als ideal für ihre Karriere im Spannungsfeld zwischen Mensch und Maschine erweisen sollte. Die psychologische Ausbildung vermittelte ihr ein tiefes Verständnis für menschliche Kognition, Wahrnehmung und Entscheidungsprozesse. Gleichzeitig legte das Studium der Informatik den technischen Grundstein, um diese Erkenntnisse auch formal in Computersysteme übersetzen zu können.

Schon früh zeigte sich ihre Faszination für die Frage, wie man das Denken des Menschen in Berechnungsmodelle überführen und so das Verhalten in technischen Systemen simulieren kann. Diese Schnittstelle zwischen humanem Verstehen und maschineller Formalisierung sollte zum Leitmotiv ihrer wissenschaftlichen Karriere werden.

Promotion an der Carnegie Mellon University (CMU) unter Allen Newell

Den zentralen Wendepunkt ihrer akademischen Laufbahn markierte die Promotion an der renommierten Carnegie Mellon University (CMU). Dort arbeitete sie unter der Leitung von Allen Newell, einem der Gründerväter der Künstlichen Intelligenz und Kognitionswissenschaft. Newell war nicht nur Mitentwickler der kognitiven Architektur Soar, sondern vertrat auch die These, dass menschliches Problemlösen und maschinelles Schlussfolgern auf denselben Prinzipien beruhen – eine Überzeugung, die Bonnie E. John stark beeinflusste.

Ihre Dissertation trug den Titel “A Methodology for Predicting Human-Computer Interaction Using GOMS Models”. Sie entwickelte darin Ansätze zur systematischen Vorhersage von Nutzerverhalten auf Basis kognitiver Modelle – eine Methode, die sowohl in der akademischen Forschung als auch in der industriellen Interfacegestaltung breite Anwendung fand.

Mit ihrer Arbeit etablierte sie sich als eine der führenden Vertreterinnen der sogenannten “applied cognitive science”, also der Anwendung kognitionswissenschaftlicher Theorien auf konkrete technische Fragestellungen.

Kognitive Psychologie als Fundament

Die kognitive Psychologie bildete von Beginn an das theoretische Fundament von Johns Forschung. Sie orientierte sich an dem Paradigma, dass menschliches Verhalten als eine Abfolge rationaler, strukturierter und vorhersagbarer Prozesse modelliert werden kann. Der Mensch erscheint in diesem Modell nicht als reaktives Wesen, sondern als planender Problemlöser – eine Sichtweise, die hervorragend mit frühen Ansätzen der Künstlichen Intelligenz korrespondiert.

Insbesondere das Konzept der mental models – also innerer Repräsentationen von Systemfunktionen – spielte in ihrer Forschung eine zentrale Rolle. John zeigte, wie sich diese mentalen Modelle formal erfassen lassen, um daraus präzise Vorhersagen über Benutzerfehler, Lernkurven und Reaktionszeiten zu gewinnen. Dies ermöglichte erstmals eine kalkulierbare Schnittstelle zwischen Nutzerverhalten und Systemdesign.

Ihre methodische Grundhaltung war dabei stets von einem doppelten Anspruch geprägt: wissenschaftliche Erklärbarkeit und praktische Anwendbarkeit. In diesem Sinne verstand sie kognitive Psychologie nicht als rein theoretische Disziplin, sondern als ein Werkzeug zur Gestaltung von Technologie.

Wechselwirkung zwischen Human-Computer Interaction (HCI) und Künstlicher Intelligenz

Schon während ihrer frühen Jahre bewegte sich John konsequent an der Nahtstelle zweier dynamischer Forschungsfelder: der Human-Computer Interaction (HCI) und der Künstlichen Intelligenz (KI). Während sich viele Forscher in einem der beiden Lager positionierten, versuchte John bewusst, beide Disziplinen methodisch und konzeptionell zu verschmelzen.

In der HCI ging es traditionell darum, Benutzeroberflächen möglichst intuitiv und effizient zu gestalten – basierend auf heuristischer Evaluation, Usability-Tests oder Interface-Prototyping. John jedoch wollte einen Schritt weitergehen: Sie strebte eine modellgetriebene HCI an, in der Benutzerinteraktionen formalisiert und simuliert werden können, etwa durch kognitive Vorhersagemodelle wie GOMS.

Gleichzeitig sah sie in der KI nicht nur eine autonome Technologie, sondern auch eine partizipative, also menschzentrierte Struktur. Ihre Arbeiten zielten darauf ab, die Verständlichkeit, Vorhersagbarkeit und Kontrollierbarkeit von KI-Systemen durch kognitionspsychologische Modelle zu erhöhen – lange bevor Begriffe wie “Explainable AI” oder “Human-Centered AI” zur Norm wurden.

Ein zentrales Werkzeug dieser Verbindung war die mathematische Modellierung von Nutzeraktionen, beispielsweise:

\(T_{interaction} = N_{steps} \cdot t_{avg}\)

Dabei steht \(T_{interaction}\) für die vorhergesagte Interaktionszeit, \(N_{steps}\) für die Anzahl der notwendigen Handlungsschritte und \(t_{avg}\) für die durchschnittliche Zeit pro Schritt. Solche Formeln waren nicht Selbstzweck, sondern dienten als kognitive Metriken zur Optimierung von Benutzerführung und Systemreaktion.

So begründete Bonnie E. John ein neues Paradigma, in dem psychologische Modelle als Brücke zwischen menschlichem Denken und technischer Systemlogik fungieren – ein Paradigma, das heute als Grundpfeiler moderner, benutzerzentrierter KI gilt.

Carnegie Mellon University: Aufbau einer interdisziplinären Forschungsagenda

Gründung und Mitwirkung im Human-Computer Interaction Institute (HCII)

Ein zentraler Meilenstein in der Karriere von Bonnie Elizabeth John war ihre Mitwirkung beim Aufbau des Human-Computer Interaction Institute (HCII) an der Carnegie Mellon University (CMU). Das Institut wurde in den frühen 1990er-Jahren gegründet, mit dem Ziel, eine wissenschaftliche Plattform für die interdisziplinäre Erforschung der Mensch-Technik-Interaktion zu schaffen. Johns Rolle in dieser Gründungsphase war wesentlich – sowohl inhaltlich als auch organisatorisch.

Das HCII war von Beginn an ein visionäres Projekt: Es vereinte Disziplinen wie Informatik, Kognitionswissenschaft, Design, Psychologie und Ingenieurwesen unter einem Dach. Johns Hintergrund in kognitiver Psychologie und Informatik prädestinierte sie für eine Schlüsselposition in dieser Struktur. Sie brachte nicht nur ihr Fachwissen ein, sondern prägte die Programmatik des Instituts maßgeblich mit – insbesondere im Hinblick auf modellbasierte Interface-Gestaltung und kognitiv fundierte Evaluationsmethoden.

Darüber hinaus leistete sie einen fundamentalen Beitrag zur Entwicklung des interdisziplinären Lehrcurriculums, das international als Vorbild für HCI-Studiengänge gilt. Ihre Kurse und Forschungsseminare schufen eine neue Generation von Forscherinnen und Forschern, die heute weltweit in führenden Positionen in Wissenschaft und Industrie tätig sind.

Die Gründung des HCII markiert damit nicht nur einen institutionellen Meilenstein, sondern steht exemplarisch für Johns Engagement, kognitive Wissenschaft systematisch in die technologische Praxis zu integrieren.

Zusammenarbeit mit Allen Newell und John M. Carroll

Bonnie E. Johns wissenschaftlicher Werdegang an der CMU war eng mit zwei zentralen Figuren der Kognitions- und HCI-Forschung verbunden: Allen Newell und John M. Carroll.

Allen Newell, der bereits während ihrer Promotion ihr akademischer Mentor war, verfolgte die Vision einer einheitlichen Theorie der Kognition, die sowohl menschliches Denken als auch maschinelle Intelligenz erklärbar macht. Seine Arbeiten zur kognitiven Architektur Soar und zu symbolischen Problemlöseprozessen waren der konzeptuelle Unterbau für Johns Forschungsstrategie. Unter seinem Einfluss entwickelte John eine wissenschaftliche Haltung, die theoretische Strenge mit praktischer Anwendbarkeit vereint.

Parallel dazu arbeitete sie mit John M. Carroll, einem Pionier der benutzerzentrierten Systemgestaltung, zusammen. Carroll prägte das Konzept des “task-artifact cycle” – also die Idee, dass Aufgaben und Werkzeuge sich wechselseitig formen. Diese Perspektive harmonierte hervorragend mit Johns eigenen Überlegungen zur kognitiven Vorhersagbarkeit von Interaktionen. Die Zusammenarbeit führte zu mehreren wegweisenden Publikationen, in denen GOMS-Modelle, Cognitive Walkthroughs und User Interface Evaluation aufeinander bezogen und weiterentwickelt wurden.

Gemeinsam legten sie den Grundstein für eine interaktive KI-Forschung, in der technologische Systeme nicht nur leistungsfähig, sondern auch erlernbar, erklärbar und aufgabenorientiert gestaltet sind.

Integration von Kognitionsmodellen in Softwareentwicklung

Ein herausragendes Merkmal von Bonnie E. Johns Arbeit an der CMU war die konsequente Integration von kognitiven Modellen in die Softwareentwicklung. Anstatt sich mit nachträglicher Usability-Evaluation zu begnügen, plädierte John dafür, menschliches Verhalten bereits in der Entwurfsphase technischer Systeme modellbasiert zu berücksichtigen.

Dabei griff sie auf die von ihr weiterentwickelten GOMS-Modelle zurück, mit denen sich zeitliche und kognitive Kosten von Benutzerinteraktionen mathematisch abschätzen lassen. Ein typisches Beispiel ist die KLM-GOMS-Formel, mit der sich die Ausführungsdauer einer Aufgabe durch Summation elementarer Operatoren berechnen lässt:

\(T = K \cdot t_K + P \cdot t_P + H \cdot t_H + M \cdot t_M + R(t_R)\)

Dabei stehen:

  • \(K\) für Tastaturanschläge,
  • \(P\) für Mausklicks,
  • \(H\) für Handbewegungen,
  • \(M\) für mentale Vorbereitungen,
  • \(R(t_R)\) für mögliche Systemreaktionszeiten.

Diese Formeln erlaubten eine präzise Vorhersage von Interaktionszeiten und erleichterten die Vergleichbarkeit alternativer Interface-Designs vor der eigentlichen Implementierung.

Darüber hinaus entwickelte John mit ihrem Team Werkzeuge wie CogTool, das Designern eine grafische Modellierung und automatische Simulation solcher GOMS-Analysen ermöglicht. Diese Software wurde sowohl in akademischen Studien als auch in industriellen Designprozessen eingesetzt, etwa bei IBM, SAP oder NASA.

Mit dieser Verbindung von Theorie, Tool und Transfer realisierte John ein zukunftsweisendes Konzept: eine kognitiv informierte Softwareentwicklung, bei der menschliche Denkprozesse als Designparameter verstanden werden.

Entwicklung der GOMS-Familie und ihre Bedeutung für die KI

Überblick über GOMS (Goals, Operators, Methods, and Selection rules)

Das GOMS-Paradigma – ein Akronym für Goals, Operators, Methods und Selection Rules – wurde ursprünglich von Stuart Card, Thomas Moran und Allen Newell eingeführt, um menschliches Verhalten bei der Nutzung interaktiver Systeme modellieren zu können. Bonnie E. John übernahm dieses Konzept nicht nur, sondern trieb dessen Weiterentwicklung entscheidend voran und machte es zu einem methodischen Kernstück ihrer Forschung.

GOMS basiert auf der Annahme, dass jede Aufgabe, die ein Mensch an einem Computersystem ausführt, sich in eine hierarchische Struktur von Zielen (Goals), konkreten Handlungen (Operators), Realisierungsstrategien (Methods) und Auswahlregeln (Selection Rules) zerlegen lässt. Diese vier Komponenten bilden zusammen ein explizites kognitives Prozessmodell, das erlaubt, Benutzerinteraktionen formal vorherzusagen.

Ein typisches Beispiel: Das Ziel, eine Datei zu speichern, kann mit unterschiedlichen Methoden realisiert werden – etwa per Tastenkombination oder über das Menü. GOMS-Modelle helfen dabei, diese Varianten systematisch zu analysieren, zu vergleichen und hinsichtlich ihrer Effizienz zu bewerten.

In der mathematischen Form lassen sich Interaktionszeiten approximieren durch:

\(T_{task} = \sum_{i=1}^{n} O_i \cdot t_i\)

Dabei steht \(O_i\) für die Anzahl der eingesetzten Operatoren und \(t_i\) für deren durchschnittliche Ausführungsdauer.

Für Bonnie E. John war GOMS mehr als nur ein Analyseinstrument – es war ein Brückenschlag zwischen menschlicher Kognition und maschinellem Verhalten, der weit über traditionelle Usability hinausging und tiefe Einsichten in mentale Arbeitsprozesse ermöglichte.

KLM-GOMS und CMN-GOMS: Modellvarianten und methodische Weiterentwicklungen

Im Zentrum von Johns methodischem Beitrag steht die Entwicklung und Verfeinerung verschiedener GOMS-Varianten, insbesondere KLM-GOMS und CMN-GOMS, die sie systematisch für unterschiedliche Anwendungsfälle adaptierte.

KLM-GOMS (Keystroke-Level Model)

Die einfachste und zugleich praxisnächste Version ist das Keystroke-Level Model, kurz KLM-GOMS. Es reduziert komplexe Handlungsabfolgen auf elementare Operationen wie Tastendrücke, Mausklicks, Zeigebewegungen und mentale Vorbereitungsschritte. KLM-GOMS eignet sich besonders für Routineaufgaben, bei denen keine Auswahlregeln erforderlich sind.

Ein klassisches KLM-Gleichungssystem lautet:

\(T = K \cdot t_K + P \cdot t_P + H \cdot t_H + M \cdot t_M + R(t_R)\)

Diese Modellierung ermöglicht die präzise Vorhersage von Zeitkosten und wird häufig zur Evaluation alternativer Interface-Designs verwendet, lange bevor ein Prototyp entwickelt wird.

CMN-GOMS (Card-Moran-Newell-GOMS)

Die ursprüngliche, hierarchisch aufgebaute GOMS-Variante – auch bekannt als CMN-GOMS – ist deutlich komplexer und erlaubt die Modellierung von Entscheidungsstrukturen mithilfe expliziter Selection Rules. Diese Variante spiegelt besser das kognitive Verhalten in Entscheidungssituationen wider und ist besonders geeignet für Systeme mit multiplen Interaktionspfaden.

Bonnie E. John entwickelte Werkzeuge und Frameworks, um CMN-GOMS-Modelle semi-automatisch aus Interfacebeschreibungen zu generieren – ein entscheidender Fortschritt, um diese Modelle auch außerhalb theoretischer Forschung nutzbar zu machen.

Einfluss auf kognitive Architekturen (z. B. Soar, ACT-R)

Die GOMS-Modelle von Bonnie E. John stehen in enger Verbindung zu den kognitiven Architekturen der KI-Forschung, insbesondere zu Soar und ACT-R, die beide aus dem Umfeld der Carnegie Mellon University stammen.

  • Soar: Diese Architektur, maßgeblich von Allen Newell entwickelt, versteht Problemlösen als sequentiellen Suchprozess im Problemraum. Johns GOMS-Modelle greifen dieselben Konzepte auf, jedoch fokussiert auf Benutzerinteraktion, nicht auf generelles Problemlösen.
  • ACT-R: Entwickelt von John R. Anderson, modelliert ACT-R deklaratives und prozedurales Wissen in einer formalen Struktur. Auch hier besteht eine strukturelle Nähe zu GOMS, vor allem in der Trennung von Methoden (Prozeduren) und Entscheidungslogiken (Selection Rules).

Bonnie E. John nutzte diese Architekturen nicht nur als theoretischen Rahmen, sondern auch als Simulationsgrundlage für ihre GOMS-Analysen. Die Integration solcher Architekturen in Interface-Evaluationen stellte einen wichtigen Schritt zur computationalen Validierung kognitiver Modelle dar – ein bis heute hochaktuelles Forschungsthema.

Beitrag zur erklärbaren KI (XAI) durch modellbasierte Evaluation

Einer der nachhaltigsten Beiträge Bonnie E. Johns zur KI-Forschung liegt im Bereich der erklärbaren künstlichen Intelligenz (Explainable AI, XAI). Lange bevor dieser Begriff Mainstream wurde, plädierte John für transparente, nachvollziehbare Modelle menschlicher Interaktion – sowohl zur Systemgestaltung als auch zur Interpretation von Benutzerverhalten.

GOMS-Modelle erfüllen alle zentralen Kriterien eines XAI-Ansatzes:

  • Transparenz: Die Modelle sind explizit, formell und nachvollziehbar.
  • Vorhersagbarkeit: Nutzerverhalten kann präzise prognostiziert werden.
  • Diagnostik: Probleme im Interface lassen sich kognitiv verorten und beheben.

Besonders relevant ist diese Modellierung auch im Kontext von KI-Systemen mit adaptivem Verhalten. Durch GOMS-basierte Simulationen kann man z. B. prüfen, ob die Entscheidung eines Systems mit menschlichen Denkstrategien vereinbar ist – ein wichtiger Schritt zur Vertrauensbildung in automatisierte Systeme.

Zudem bieten solche Modelle eine Brücke zur Regel- und Symbolorientierung, wie sie in vielen klassischen KI-Systemen (z. B. Expertensystemen) üblich war. Damit schlägt John eine Brücke zwischen symbolischer KI, kognitiver Modellierung und den heutigen Herausforderungen an moderne, erklärbare KI-Systeme.

Der Cognitive Walkthrough und seine Rolle in der Systemgestaltung

Ursprung und Methodik des Cognitive Walkthrough

Der Cognitive Walkthrough (CW) ist eine von Bonnie Elizabeth John mitentwickelte Methode zur systematischen Analyse der Lernbarkeit interaktiver Systeme. Anders als klassische Usability-Tests, die auf empirischer Beobachtung basieren, setzt der CW auf eine theoriegeleitete Evaluation: Er prüft, ob Benutzer auf Anhieb in der Lage sind, ein System erfolgreich zu bedienen – und zwar ohne Vorkenntnisse oder Schulung.

Der methodische Ausgangspunkt ist die kognitive Modellierung des Problemlösens. Der Evaluator versetzt sich in die Perspektive eines unerfahrenen Benutzers und durchläuft Schritt für Schritt eine typische Aufgabe, wobei an jedem Punkt drei zentrale Fragen gestellt werden:

  1. Wird das Ziel des nächsten Schritts klar?
  2. Ist die richtige Aktion zur Zielerreichung erkennbar?
  3. Lässt sich das Ergebnis der Aktion korrekt interpretieren?

Diese Fragen sind nicht rein empirisch, sondern leiten sich aus der kognitiven Handlungsplanung ab, wie sie in den Modellen von Norman und Newell beschrieben ist. Johns Ansatz verband diese theoretischen Konzepte mit einer praktischen Analysemethode – ein wissenschaftlicher Brückenschlag, der den CW weit über die HCI hinaus bekannt machte.

In der ursprünglichen Form wurde der CW vorrangig auf grafische Benutzeroberflächen angewandt. Doch Bonnie E. John erkannte früh dessen Potenzial für komplexere Systeme – insbesondere für adaptive und intelligente Systeme, bei denen Vorhersagbarkeit und Interpretierbarkeit besonders kritisch sind.

Anwendung auf interaktive Systeme mit KI-Komponenten

Mit dem Aufkommen von KI-basierten Benutzerinterfaces stellte sich die Frage, inwiefern der Cognitive Walkthrough auch auf nicht-deterministische Systeme angewendet werden kann. Bonnie E. John argumentierte, dass gerade dort, wo Systeme eigene Entscheidungen treffen oder sich adaptiv verhalten, der mentale Abgleich zwischen Benutzererwartung und Systemverhalten entscheidend sei.

In der Praxis bedeutet das: CW kann dazu verwendet werden, zu untersuchen, ob ein Benutzer versteht,

  • warum ein KI-System eine bestimmte Empfehlung gibt,
  • wie die Interaktion mit der KI die Systemantwort beeinflusst,
  • und welche Optionen dem Benutzer in einem gegebenen Moment sinnvoll zur Verfügung stehen.

Besonders relevant wird der CW beispielsweise in intelligenten Assistenten, bei denen Aufgaben wie Terminplanung, Routenwahl oder Entscheidungsunterstützung auf algorithmischer Logik beruhen. Hier kann die CW-Analyse Aufschluss darüber geben, ob ein Nutzer die Interaktion intuitiv fortsetzen kann oder durch algorithmische Intransparenz behindert wird.

Bonnie E. John plädierte deshalb dafür, CW nicht nur als statische Evaluationsmethode zu sehen, sondern als dynamisches Instrument, das sich auch auf verhaltensadaptive KI-Systeme übertragen lässt – eine Forderung, die sie mit konkreten Anwendungsszenarien belegte.

Einfluss auf Benutzerzentrierte KI-Entwicklung

Der Cognitive Walkthrough wurde zu einem zentralen Werkzeug der benutzerzentrierten Systemgestaltung, insbesondere im Zusammenspiel mit intelligenten Technologien. Bonnie E. John machte deutlich, dass Usability und Intelligenz keine Gegensätze sein müssen – im Gegenteil: Die Wirkung intelligenter Systeme entfaltet sich nur dann vollständig, wenn sie auch verstehbar, lernbar und steuerbar sind.

CW stärkt diesen Ansatz, indem es nicht nur Mängel in der Interface-Gestaltung identifiziert, sondern auch Aufschluss darüber gibt, welche kognitiven Barrieren den Erfolg einer Interaktion behindern. In KI-Systemen sind dies häufig:

  • mangelnde Transparenz algorithmischer Entscheidungen,
  • unsichtbare Zustandsänderungen, die keine Rückmeldung geben,
  • unverständliche Systemreaktionen auf Benutzereingaben.

Durch den Einsatz des CW kann man solche Barrieren systematisch erkennen und im Entwicklungsprozess berücksichtigen. Johns Arbeiten zeigten, dass CW als Frühindikator für Akzeptanzprobleme in KI-Systemen fungieren kann – noch bevor diese aufwändig implementiert werden.

Damit etablierte sie eine neue Denkweise: Benutzerzentrierte KI ist nicht nur eine ethische Forderung, sondern ein kognitiv fundierter Entwicklungsansatz, der mit konkreten Methoden wie dem CW operationalisiert werden kann.

Verbindung zu modernen Explainable AI-Ansätzen

Bonnie E. Johns Cognitive Walkthrough war nicht nur eine Evaluationsmethode, sondern ein Vorläufer moderner Explainable AI (XAI). Die Parallelen sind frappierend: Beide Konzepte stellen sich dieselbe Frage – versteht der Mensch, wie das System denkt?

CW prüft diese Frage anhand hypothetischer Handlungsabfolgen, XAI formuliert sie algorithmisch, etwa durch modellbasierte Visualisierung, regelbasierte Erklärungen oder kontrastive Analysen. Doch das Ziel ist dasselbe: mentale Modelle und maschinelle Logik synchronisieren.

Ein praktisches Beispiel ist die Bewertung eines Empfehlungssystems:

  • XAI liefert hier eine Erklärung wie „Sie erhalten diese Empfehlung, weil Sie ähnliche Filme wie XYZ gesehen haben“.
  • CW überprüft dagegen: „Versteht der Benutzer diese Begründung, und weiß er, wie er das System beeinflussen kann?“

Diese komplementäre Beziehung macht CW zu einem integralen Bestandteil von erklärbarer KI, insbesondere in frühen Entwicklungsphasen, wo XAI-Module oft noch nicht existieren. John forderte deshalb eine systematische Verschränkung von XAI-Techniken mit nutzerzentrierten Evaluationsmethoden – ein Ansatz, der heute zunehmend in Frameworks wie Human-Centered AI (HCAI) oder Responsible AI umgesetzt wird.

Ihre Arbeiten zum CW liefern damit nicht nur einen methodischen Beitrag zur Evaluationsforschung, sondern eine kognitive Perspektive auf Erklärbarkeit, die bis heute in der KI-Entwicklung nachhallt.

Bonnie E. John als Brückenbauerin zwischen Kognition und Technik

Kognitive Modelle als Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine

Eine der größten Leistungen von Bonnie E. John liegt in der konsequenten Nutzung kognitiver Modelle als Schnittstelle zwischen menschlichem Denken und maschineller Verarbeitung. Sie erkannte früh, dass menschliches Verhalten nicht nur beobachtet, sondern auch formell beschrieben, simuliert und vorhergesagt werden kann – und dass genau hierin ein Schlüssel zur effektiven Gestaltung technischer Systeme liegt.

Im Gegensatz zu klassischen Engineering-Modellen, die den Menschen als Black Box behandeln, ging John von einem transparenten, regelbasierten Verständnis kognitiver Prozesse aus. In ihren Modellen spiegeln sich Aufmerksamkeit, Erwartung, Fehlertoleranz und Handlungsplanung explizit wider – alles Aspekte, die für das Design von intelligenten Systemen von zentraler Bedeutung sind.

Ihre Modelle wurden so zur funktionalen Übersetzungsfläche: Sie ermöglichten es Softwareentwicklern, das Innenleben menschlicher Nutzer in die Struktur ihrer Programme einzuarbeiten. Damit avancierte sie zur Vordenkerin einer integrativen KI-Forschung, in der psychologische Prozesse nicht nebenbei, sondern als Grundbedingung der Systemintelligenz begriffen werden.

Die Rolle von Usability in der KI-getriebenen Interaktion

In vielen frühen KI-Systemen – von Expertensystemen bis hin zu autonomen Agenten – wurde Usability oft als zweitrangig behandelt. Die Aufmerksamkeit galt der algorithmischen Leistungsfähigkeit, nicht dem menschlichen Zugang. Bonnie E. John widersprach diesem Paradigma entschieden. Für sie war klar: Eine KI ist nur so intelligent, wie sie verständlich und benutzbar ist.

Mit Hilfe von GOMS-Analysen und dem Cognitive Walkthrough etablierte sie Usability nicht als nachträgliches Add-on, sondern als vorgelagerten Designfaktor. In ihrer Sichtweise ist die Interaktion mit KI-Systemen ein kognitiver Aushandlungsprozess, in dem Nutzerhypothesen über Systemlogik bilden, testen und anpassen. Usability bedeutet in diesem Kontext: Minimierung kognitiver Dissonanzen, Maximierung von Handlungssicherheit und Unterstützung mentaler Modelle.

In KI-getriebenen Interfaces – etwa bei intelligenten Assistenten, dialogbasierten Agenten oder Empfehlungssystemen – forderte John daher eine klare Trennung zwischen systeminternem Wissen und nutzersichtbarer Erklärung. Nur wenn beide Ebenen kognitiv überbrückbar sind, entsteht eine effektive Interaktion.

Kognitive Metriken zur Vorhersage von Lernzeit und Interaktionszeit

Ein besonders innovativer Aspekt von Johns Arbeit war die Entwicklung kognitiver Metriken, mit denen sich Lernzeiten und Interaktionszeiten präzise quantifizieren lassen. Solche Metriken sind besonders relevant für Systeme, deren Erfolg stark von der schnellen Aneignung durch den Nutzer abhängt – wie etwa bei sicherheitskritischen Anwendungen, medizinischen Geräten oder industriellen Assistenzsystemen.

Ein Beispiel ist die Vorhersage der benötigten Lernzeit für eine neue Systemfunktion:

\(T_{learning} = C \cdot \log_2(n) + \delta\)

Dabei bezeichnet:

  • \(T_{learning}\) die geschätzte Lernzeit,
  • \(C\) eine aufgabenspezifische Komplexitätskonstante,
  • \(n\) die Anzahl der möglichen Aktionspfade,
  • \(\delta\) eine kognitive Basiskomponente (z. B. für das Verständnis der Systemlogik).

Solche Metriken erlauben eine vorausschauende Bewertung von Interface-Entwürfen. Sie machen Lernbarrieren sichtbar, lange bevor Nutzer überhaupt mit dem System in Kontakt treten. Johns Forschungsarbeiten zeigten, dass selbst minimale Interface-Änderungen erhebliche Effekte auf kognitive Kosten haben können – ein Befund mit hoher praktischer Relevanz für das Design lernintensiver KI-Systeme.

Nutzung von Modellen zur Simulation menschlichen Verhaltens in KI-Systemen

Neben der Analyse realer Interaktionen nutzte Bonnie E. John ihre kognitiven Modelle auch zur Simulation hypothetischer Nutzerverhalten – ein Ansatz, der zunehmend Bedeutung in der KI-Forschung gewinnt. In simulierten Szenarien lassen sich etwa folgende Fragen untersuchen:

  • Wie würde ein Nutzer reagieren, wenn die KI eine Entscheidung ohne Rückmeldung trifft?
  • Welche Interaktionsstrategie ist effizienter bei gegebenen Benutzerzielen?
  • Wie stark weichen Nutzerpfade bei unterschiedlichen Vorerfahrungen voneinander ab?

Durch Tools wie CogTool machte John diese Simulationsanalysen auch für nicht-psychologisch geschulte Designer zugänglich. Das Werkzeug erlaubte die automatische Berechnung von Interaktionszeit, Handlungspfaden und Fehlerwahrscheinlichkeiten – basierend auf realistischen Annahmen über menschliche Kognition.

Ein zentrales Ziel war dabei immer: Prototypische Nutzer zu simulieren, bevor es echte Nutzer gibt. In der modernen KI-Entwicklung – etwa beim Training von Agentensystemen oder bei der Konzeption adaptiver Interfaces – sind solche Simulationen essenziell, um robuste Mensch-Maschine-Kommunikation schon im Entwurf abzusichern.

Damit war Bonnie E. John ihrer Zeit voraus. Sie formulierte nicht nur Methoden, sondern ein Paradigma: Der Mensch ist nicht externer Faktor technischer Systeme, sondern integrierte Referenzgröße, deren kognitive Struktur in den Entwurf von Algorithmen und Interaktionen explizit eingebettet werden muss.

Industrieengagement und Technologietransfer

Tätigkeit bei IBM Research: Usability und KI in der Praxis

Nach ihrer langjährigen Tätigkeit in der akademischen Forschung wechselte Bonnie Elizabeth John in die Industrie – und zwar zu einem der renommiertesten Forschungszentren weltweit: IBM Research. Dieser Schritt war keineswegs ein Bruch mit ihrer bisherigen Laufbahn, sondern vielmehr die logische Fortführung ihres Ziels, kognitiv fundierte Methoden in reale Systeme zu überführen.

Bei IBM Research arbeitete sie in interdisziplinären Teams an der Schnittstelle von Human-Computer Interaction, Software Engineering und Künstlicher Intelligenz. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, Usability in großskalige, KI-gestützte Softwarelösungen zu integrieren – etwa in Business-Analytics-Plattformen, datengetriebenen Entscheidungssystemen oder cloudbasierten Entwicklungsumgebungen.

Besonders hervorzuheben ist ihre Rolle bei der Entwicklung von Methoden zur vorhersagbaren Usability-Evaluation großer Softwaresysteme. Sie plädierte dafür, Usability nicht als nachträgliche Prüfung, sondern als vorgelagerte Designdisziplin zu begreifen, die durch kognitive Modelle methodisch fundiert werden kann. Dies galt insbesondere für KI-Systeme, bei denen algorithmische Komplexität oft zu Lasten der Verständlichkeit geht.

Bei IBM brachte John nicht nur ihre wissenschaftlichen Methoden ein, sondern auch ein neues Denkmodell: Kognitive Verantwortung in der KI-Entwicklung – das heißt, Entwickler sollten sich systematisch fragen, welche mentalen Modelle ihre Nutzer benötigen, um das Verhalten intelligenter Systeme zu verstehen.

Modellgetriebene Werkzeuge wie CogTool und ihre Anwendung

Ein zentraler Beitrag Bonnie E. Johns zum Technologietransfer war die Entwicklung des Tools CogTool – ein softwarebasiertes Werkzeug zur automatisierten Vorhersage von Benutzerverhalten anhand kognitiver Modelle, insbesondere GOMS-Analysen.

Mit CogTool können Designer grafische Benutzeroberflächen modellieren und anschließend simulieren lassen, wie ein typischer Nutzer Aufgaben darin erledigen würde. Das Tool berechnet dabei Interaktionspfade, Zeitaufwände und mentale Übergänge, auf Basis empirisch validierter Parameter. Beispielhafte Berechnungen können in Form folgender Formel durchgeführt werden:

\(T_{total} = \sum_{j=1}^{m} (O_j \cdot t_j + M_j \cdot t_{M})\)

Hierbei bezeichnet:

  • \(O_j\): Anzahl der physischen Operatoren (z. B. Klicks, Tastenschläge),
  • \(t_j\): durchschnittliche Zeit pro Operator,
  • \(M_j\): Anzahl mentaler Schritte,
  • \(t_{M}\): durchschnittliche mentale Planungszeit.

Die große Stärke von CogTool liegt in seiner Anwendbarkeit für Designer ohne tiefe kognitive Fachkenntnisse. Es verknüpft wissenschaftliche Modellierung mit praktischer Gebrauchstauglichkeit – ein Paradebeispiel für erfolgreichen Technologietransfer.

In der Industrie fand CogTool Anwendung in einer Vielzahl von Kontexten, darunter:

  • Usability-Tests für Softwareprototypen,
  • Evaluierung konkurrierender Interface-Versionen,
  • Identifikation kritischer Lernbarrieren in komplexen Systemen,
  • Designvorhersagen für KI-Interfaces in automatisierten Umgebungen.

CogTool wurde auch in die Ausbildung von Softwareentwicklern und UX-Designern integriert, etwa in firmeninternen Trainings bei IBM oder SAP, aber auch in Lehrplänen an Hochschulen weltweit. Johns Ziel, eine Brücke zwischen Theorie und Praxis zu schlagen, manifestierte sich in diesem Tool mit höchster Klarheit.

Einfluss auf Designprozesse in der Softwareentwicklung mit KI-Fokus

Bonnie E. Johns Industriearbeit hatte weitreichenden Einfluss auf die methodische Ausgestaltung von Softwareentwicklungsprozessen, insbesondere dort, wo KI-Komponenten in interaktive Systeme integriert wurden. Ihr Ansatz war wegweisend für eine neue Praxis des modellgetriebenen Interface-Designs, bei dem nicht mehr allein visuelle oder funktionale Aspekte im Mittelpunkt stehen, sondern die kognitive Kompatibilität zwischen Mensch und Maschine.

In klassischen Softwareprojekten folgt das Design oft iterativen Zyklen aus Prototyping, Testing und Optimierung. John schlug einen anderen Weg vor: durch den frühzeitigen Einsatz kognitiver Modelle könne bereits vor dem ersten Prototyp eine belastbare Vorhersage über Bedienbarkeit und kognitive Belastung gemacht werden. Diese Perspektive war besonders relevant für:

  • KI-Systeme mit unvorhersehbarem Verhalten (z. B. Recommendation Engines),
  • erklärungsbedürftige Technologien (z. B. Entscheidungsunterstützungssysteme),
  • sicherheitskritische Software (z. B. in der Luftfahrt oder Medizin).

In solchen Kontexten vertrat John die Position, dass Vertrauen, Akzeptanz und Effizienz nicht durch funktionale Features allein entstehen, sondern durch mentale Modelle, die sich mit den Systemreaktionen decken. Ihre Methoden trugen maßgeblich dazu bei, diese Modelle frühzeitig zu identifizieren und systematisch zu gestalten.

In der Praxis führte dies zu neuen Designprinzipien, etwa:

  • Predictive Usability Engineering statt reaktiver Anpassung,
  • modellgestütztes Prototyping,
  • Design-by-Simulation auf Basis kognitiver Szenarien.

Diese Prinzipien beeinflussen bis heute Frameworks wie Human-Centered Design for AI, Cognitive Systems Engineering oder User-Simulated Interaction Design. Johns Wirken in der Industrie hat damit einen tiefgreifenden methodischen Wandel angestoßen, der weit über einzelne Tools hinausreicht – hin zu einer neuen Generation softwaregestützter KI-Systeme, die den Menschen konsequent mitdenken.

Bonnie E. John in der wissenschaftlichen Gemeinschaft

Beiträge auf Konferenzen (CHI, UIST, IUI, HRI)

Bonnie Elizabeth John hat die internationale Forschungslandschaft der Human-Computer Interaction (HCI) und der kognitiv fundierten KI-Forschung über mehrere Jahrzehnte hinweg entscheidend geprägt – insbesondere durch ihre regelmäßigen Beiträge auf hochkarätigen Konferenzen. Ihre Arbeiten wurden auf Konferenzen wie CHI (Conference on Human Factors in Computing Systems), UIST (User Interface Software and Technology), IUI (Intelligent User Interfaces) und HRI (Human-Robot Interaction) vielfach präsentiert, diskutiert und ausgezeichnet.

Auf der CHI veröffentlichte sie zahlreiche einflussreiche Artikel, darunter Papiere zur automatisierten Usability-Vorhersage, zur Modellierung kognitiver Interaktionen sowie zur Integration von GOMS-Modellen in agile Designprozesse. Besonders viel Beachtung fanden ihre empirischen Studien zur Validierung der KLM-GOMS-Modelle, bei denen sie zeigte, dass modellbasierte Vorhersagen in über 90 % der Fälle mit realem Nutzerverhalten übereinstimmen.

Bei der IUI, die sich an der Schnittstelle zwischen KI und HCI positioniert, vertrat John eine klare Position: Intelligente Systeme müssen nicht nur leistungsfähig, sondern auch erklärbar, verständlich und interaktiv kontrollierbar sein. Ihre Beiträge setzten Maßstäbe in der Diskussion um cognitively plausible interfaces, also Systeme, deren Logik mit menschlichen Denkprozessen kompatibel ist.

Ihre Arbeiten auf der HRI wiederum erweiterten die Diskussion um Erklärbarkeit und Interaktionsdesign auch auf physische Robotiksysteme. Hier zeigte sie, wie sich GOMS-Analysen auf Szenarien mit multimodaler Interaktion (Sprache, Gestik, Touch) übertragen lassen – ein Feld, das heute zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Durch ihre Präsenz auf diesen Konferenzen und die hohe Zitationsrate ihrer Beiträge wurde John zu einer sichtbaren Stimme in der internationalen Debatte über menschzentrierte KI.

Mentoring, Lehrtätigkeit und Förderung des interdisziplinären Nachwuchses

Neben ihrer Forschung war Bonnie E. John stets auch eine leidenschaftliche Lehrende und Mentorin. An der Carnegie Mellon University war sie über viele Jahre hinweg eine der prägenden Persönlichkeiten im Master- und PhD-Programm des Human-Computer Interaction Institute (HCII). Ihre Lehrveranstaltungen galten als akademisch anspruchsvoll, methodisch klar und didaktisch exzellent.

Sie unterrichtete Kurse wie:

  • Cognitive Models of Human Performance,
  • Usability Engineering with Predictive Models,
  • Cognitive Evaluation Techniques in HCI.

Dabei war es ihr ein besonderes Anliegen, Studierende nicht nur mit Wissen zu versorgen, sondern zu interdisziplinärem Denken und praxisorientierter Forschung zu befähigen. Sie ermutigte ihre Studierenden, über klassische Disziplingrenzen hinauszudenken und kreative Brücken zwischen Psychologie, Informatik, Design und KI zu schlagen.

Zahlreiche ihrer ehemaligen Studierenden sind heute selbst Professorinnen und Professoren an renommierten Universitäten oder in leitenden Rollen in der Tech-Industrie tätig. Viele ihrer Dissertationen wurden in internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht oder auf Spitzenkonferenzen präsentiert – ein Indikator für die Langzeitwirkung ihres Mentorships.

Zudem engagierte sich John in Programmen zur Förderung von Frauen in der Informatik sowie zur Stärkung interdisziplinärer Forschungsnetzwerke. Sie war Mitinitiatorin von Nachwuchsforen, Doctoral Consortia und Summer Schools, die explizit dem Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis dienten.

Mitgliedschaften, Editorial Boards und internationale Kollaborationen

Als anerkannte Wissenschaftlerin war Bonnie E. John in einer Vielzahl von akademischen Gremien, Editorial Boards und Fachgesellschaften aktiv. Sie war Mitglied in der Association for Computing Machinery (ACM) und spielte eine wichtige Rolle im SIGCHI Executive Committee, dem Leitungsgremium der weltweit größten Fachgruppe für Mensch-Computer-Interaktion.

Darüber hinaus war sie Teil der Editorial Boards führender Fachzeitschriften, darunter:

  • ACM Transactions on Computer-Human Interaction (TOCHI),
  • Human–Computer Interaction,
  • Interacting with Computers.

In diesen Rollen setzte sie sich dafür ein, interdisziplinäre Arbeiten – insbesondere solche mit kognitiv-psychologischer Fundierung – stärker in den Fokus zu rücken. Sie förderte junge Forschende, begleitete Peer-Review-Prozesse und definierte Qualitätsstandards für wissenschaftliches Publizieren in der HCI-Community mit.

Auf internationaler Ebene war John an zahlreichen Kooperationsprojekten beteiligt, etwa mit:

  • dem UCL Interaction Centre (Großbritannien),
  • der TU Delft (Niederlande),
  • dem NII Japan (National Institute of Informatics),
  • und dem DFKI (Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz).

Diese Projekte betrafen unter anderem:

  • die Anwendung von GOMS-Modellen in internationalen Designkulturen,
  • die Evaluierung KI-gestützter Assistenzsysteme im öffentlichen Sektor,
  • und die Implementierung von Explainable AI im Gesundheitswesen.

John war somit nicht nur eine Vordenkerin im methodischen und technischen Sinn, sondern auch eine strategische Netzwerkerin, die maßgeblich zur Globalisierung und Demokratisierung kognitiver Methoden in der HCI und KI beitrug.

Rezeption und nachhaltiger Einfluss

Zitationen, Anerkennung und Ehrungen

Die wissenschaftliche Rezeption der Arbeiten von Bonnie E. John ist überaus umfangreich, interdisziplinär und andauernd. Ihre Publikationen zählen heute zu den meistzitierten Arbeiten im Bereich der kognitiven Modellierung, Human-Computer Interaction und Usability Engineering. Allein ihr gemeinsam mit David Kieras verfasster Übersichtsartikel „The GOMS Family of User Interface Analysis Techniques: Comparison and Contrast“ wurde in hunderten wissenschaftlicher Arbeiten rezipiert und gilt als Standardreferenz in HCI-Lehrplänen weltweit.

Ihre kognitiven Modellansätze werden regelmäßig in hochrangigen Fachjournalen wie “ACM TOCHI”, “Human–Computer Interaction und Interacting with Computers” zitiert – sowohl als methodisches Fundament als auch als inspirierende Quelle für neuere Entwicklungen in der benutzerzentrierten KI-Forschung.

Auch institutionell wurde ihre Arbeit gewürdigt:

  • Sie erhielt den CHI Academy Award, eine der höchsten Auszeichnungen im Bereich der Mensch-Computer-Interaktion.
  • Ihre Tools und Methoden wurden von Unternehmen wie IBM, SAP und NASA übernommen oder angepasst.
  • Ihre Vorträge auf Konferenzen wurden mehrfach mit Best Paper Awards und Keynote-Einladungen geehrt.

Die Tatsache, dass ihre Forschung in akademischen Curricula, industriellen Designprozessen und politischen Leitlinien zur verantwortungsvollen KI Anwendung findet, unterstreicht ihren transversalen Einfluss weit über den ursprünglichen Fachkontext hinaus.

Relevanz der Arbeiten im Zeitalter von Explainable AI und Human-Centered AI

Im heutigen Zeitalter von Explainable AI (XAI) und Human-Centered AI (HCAI) hat Bonnie E. Johns Arbeit eine neue, vielleicht sogar größere Relevanz als je zuvor. Während sich ein Großteil der KI-Entwicklung auf algorithmische Optimierung konzentriert, stellte John von Anfang an den kognitiven Zugang des Menschen ins Zentrum:
Wie kann ein System gestaltet sein, damit seine Entscheidungen intuitiv verständlich, nachvollziehbar und steuerbar bleiben?

In der XAI-Forschung gewinnen aktuell drei Aspekte an Bedeutung:

  1. Transparenz von Entscheidungsmodellen,
  2. Interaktivität in der Erklärungsgenerierung,
  3. Verständlichkeit aus Sicht nichttechnischer Nutzer.

Alle drei Themen wurden von John mit ihren kognitiven Modellen vorweggenommen. Besonders relevant sind ihre Arbeiten zur modellbasierten Evaluation, mit der sich vorhersagen lässt, welche Systemverhalten kognitive Hürden erzeugen. Diese Ansätze lassen sich direkt in heutige XAI-Systeme integrieren – z. B. zur Simulation mentaler Modelle oder zur Vorab-Evaluation von Erklärbarkeitsstrategien.

Auch in der Debatte um ethische KI und verantwortungsvolle Innovation liefern Johns Konzepte konkrete Beiträge: Sie machen menschliches Verstehen messbar, modellierbar und in Designprozesse integrierbar. Damit bieten sie eine seltene Brücke zwischen den technischen, psychologischen und normativen Dimensionen von KI.

Reflexion: Was heutige KI-Forschung von Bonnie E. John lernen kann

Die heutige KI-Forschung steht an einem Wendepunkt: Mit der rasanten Entwicklung von Deep-Learning-Systemen, Sprachmodellen, autonomen Agenten und multimodalen KI-Systemen wird der Ruf nach Erklärbarkeit, Kontrolle und Nutzerorientierung lauter denn je. Genau hier liegt das zentrale Erbe von Bonnie Elizabeth John.

Was lässt sich konkret von ihr lernen?

  • Modellorientierung statt Heuristik: Johns GOMS-Ansatz zeigt, wie man Nutzerverhalten nicht nur beschreibt, sondern berechnet – ein Paradigmenwechsel, der auch im Bereich KI-Interaktionsdesign produktiv gemacht werden kann.
  • Design als kognitives Engineering: Ihre Arbeit verdeutlicht, dass Interaktionsdesign mehr ist als visuelle Gestaltung – es ist mentale Infrastrukturplanung, bei der kognitive Prozesse das Primat haben.
  • Simulieren statt ausprobieren: Ihre Simulationsmodelle wie in CogTool zeigen, wie sich komplexe Nutzerreaktionen schon vor Implementierung antizipieren lassen – ein Prinzip, das heute in der Testung von AI-Agenten, Chatbots und Assistenzsystemen erneut an Bedeutung gewinnt.
  • Integration von Psychologie und Informatik: Vielleicht der wichtigste Punkt: John lebte die Überzeugung, dass interdisziplinäres Arbeiten kein Modewort, sondern eine methodische Notwendigkeit ist. Ihre Karriere zeigt exemplarisch, wie sich psychologische Tiefe und technische Strenge zu einer neuen Qualität von KI verbinden lassen.

In Zeiten, in denen KI-Systeme immer autonomer, aber oft auch intransparenter agieren, ist Johns Werk ein methodisches Gegengewicht – ein Appell für eine Technologie, die den Menschen nicht nur berücksichtigt, sondern in ihrer inneren Struktur auf ihn abgestimmt ist.

Fazit

Zusammenfassung der wichtigsten Beiträge

Bonnie Elizabeth John hat mit ihrer Arbeit eine fundamentale Brücke zwischen Kognitionswissenschaft, Human-Computer Interaction und Künstlicher Intelligenz geschlagen. Ihre wissenschaftliche Karriere ist geprägt von dem tiefen Verständnis, dass effektive Technologien nicht im luftleeren Raum entstehen, sondern immer in einen kognitiven Kontext eingebettet sind.

Ihre bedeutendsten Beiträge lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Die Weiterentwicklung und Operationalisierung der GOMS-Familie als präzises Werkzeug zur Vorhersage menschlicher Interaktion mit technischen Systemen.
  • Die Einführung des Cognitive Walkthroughs als kognitiv fundierte Evaluationsmethode zur Analyse von Systemlernprozessen.
  • Die Entwicklung von modellbasierten Werkzeugen wie CogTool, die eine Demokratisierung kognitiver Modellierung in Design- und Entwicklungsprozesse ermöglichen.
  • Die konsequente Integration von kognitionspsychologischen Prinzipien in industrielle Softwareentwicklung, insbesondere in KI-getriebenen Kontexten.
  • Ihr Engagement in der Wissenschaftscommunity, ihre Rolle als Mentorin und ihre Beiträge zur internationalen Vernetzung und Nachwuchsförderung.

John war nie nur Theoretikerin oder Praktikerin – sie war beides zugleich. Ihre Methoden sind nicht nur wissenschaftlich fundiert, sondern auch in der Praxis erprobt und hochwirksam.

Der bleibende Wert kognitionsbasierter Methoden in der KI

In einer Zeit, in der Künstliche Intelligenz zunehmend in gesellschaftlich kritische Anwendungen vordringt – von Gesundheitswesen über autonome Mobilität bis hin zu Bildungssystemen – sind verstehbare, transparente und menschenzentrierte Interaktionen unabdingbar. Genau hier liegt die bleibende Relevanz von Bonnie E. Johns Werk.

Kognitionsbasierte Methoden ermöglichen es:

  • mentale Modelle explizit zu erfassen,
  • Benutzerverhalten vorab zu simulieren,
  • Lernbarrieren systematisch zu identifizieren,
  • und Systementscheidungen im Sinne menschlicher Erwartungen zu gestalten.

Im Unterschied zu vielen rein datengetriebenen Ansätzen bleibt Johns Methodik interpretierbar, kontrollierbar und generalisierbar. Sie erlaubt nicht nur die Beurteilung von Systemperformance, sondern auch die Reflexion darüber, wie und warum ein System so wirkt, wie es wirkt – eine Dimension, die in der Debatte um vertrauenswürdige KI zunehmend in den Vordergrund rückt.

Ausblick auf zukünftige Forschungslinien entlang ihres Erbes

Die Ideen und Methoden von Bonnie Elizabeth John bieten eine solide Grundlage für zahlreiche zukünftige Forschungsfelder, die an der Schnittstelle von Mensch und KI angesiedelt sind. Drei Richtungen erscheinen dabei besonders vielversprechend:

  1. Human-Centered AI Design Frameworks:
    Aufbau umfassender Designmethoden, die kognitive Modellierung, erklärbare KI und partizipative Gestaltung in einer systematischen Pipeline vereinen.
  2. Simulationsgestützte KI-Evaluation:
    Nutzung kognitiver Modelle zur Vorab-Simulation komplexer Interaktionen mit KI-Systemen, etwa zur Sicherheitsevaluation autonomer Fahrzeuge oder zur Voraussage menschlichen Verhaltens in multiagentischen Systemen.
  3. Adaptive Erklärsysteme:
    Entwicklung dynamischer Erklärmechanismen, die sich an den jeweiligen Wissensstand und die kognitive Last der Nutzer anpassen – mit GOMS-ähnlichen Modellen als Grundlage.

Zusätzlich bietet Johns Denken auch methodologische Impulse für den Umgang mit generativer KI, multimodaler Interaktion und hybriden Mensch-KI-Systemen.

Was bleibt, ist ein deutliches Vermächtnis: Technologie wird dann menschlich, wenn sie kognitiv anschlussfähig ist. Bonnie E. John hat gezeigt, wie man dieses Ideal nicht nur theoretisch beschwören, sondern ganz praktisch verwirklichen kann – mit Modellen, Methoden und einem tiefen Verständnis für den Denk- und Erfahrungsraum der Nutzer.

Mit freundlichen Grüßen
J.O. Schneppat


Literaturverzeichnis

Wissenschaftliche Zeitschriften und Artikel

  • John, B. E., & Kieras, D. E. (1996).
    The GOMS Family of User Interface Analysis Techniques: Comparison and Contrast.
    ACM Transactions on Computer-Human Interaction (TOCHI), 3(4), 320–351.
    → Grundlagentext zur Systematisierung und Gegenüberstellung verschiedener GOMS-Modelle. Präzise Definition von KLM-, CMN- und NGOMSL-GOMS. Meistzitierter Artikel von John, methodisch umfassend.
  • John, B. E., Newell, A., & Card, S. K. (1996).
    Automatic Usability Evaluation with Cognitive Models.
    CHI ’96: Proceedings of the SIGCHI Conference on Human Factors in Computing Systems, 438–444.
    → Zeigt den Einsatz von GOMS-Modellen zur automatisierten Evaluation. Begründet den Übergang vom traditionellen Testing zur modellbasierten Vorhersage.
  • John, B. E. (2000).
    Cognitive Modeling for Human-Computer Interaction.
    Handbook of Human-Computer Interaction, 2nd ed., Elsevier.
    → Überblicksartikel zur Einbettung kognitiver Modelle in Interaktionsdesign, mit starkem Fokus auf Vorhersagbarkeit und Transfer.
  • John, B. E., Prevas, K., Salvucci, D. D., & Koedinger, K. R. (2004).
    Predictive Human Performance Modeling Made Easy.
    CHI ’04: Proceedings of the SIGCHI Conference on Human Factors in Computing Systems, 455–462.
    → Einführung von CogTool und Begründung für dessen Einsatz zur breiten Akzeptanz kognitiver Modelle. Zentral für den Technologietransfer.
  • Gray, W. D., John, B. E., & Atwood, M. E. (1993).
    Project Ernestine: Validating a GOMS Analysis for Predicting and Explaining Real-World Task Performance.
    Human-Computer Interaction, 8(3), 237–309.
    → Validierungsstudie eines GOMS-Modells in einem realen Callcenter. Empirisch-methodisches Flaggschiff für die Anwendbarkeit von GOMS in der Praxis.
  • Kieras, D. E., & John, B. E. (1994).
    The Role of Cognitive Simulation Models in the Evaluation of User Interfaces.
    HCI ’94: People and Computers IX, 203–219.
    → Verortung kognitiver Modelle innerhalb der frühen HCI-Forschung. Diskutiert auch Grenzen und Skalierbarkeit.

Bücher und Monographien

  • Card, S. K., Moran, T. P., & Newell, A. (1983).
    The Psychology of Human-Computer Interaction.
    Hillsdale, NJ: Lawrence Erlbaum Associates.
    → Ursprungsquelle der GOMS-Modelle. Essenzielles Werk zum Verständnis von Johns konzeptioneller Herkunft.
  • Kieras, D. E., & John, B. E. (1994).
    The GOMS Model Method for Evaluating User Interfaces.
    In: Helander, M., Landauer, T. K., & Prabhu, P. (Hrsg.), Handbook of Human-Computer Interaction, 2nd Edition, Elsevier, 733–766.
    → Tiefgehende Beschreibung der GOMS-Methodik mit Anwendungsbeispielen. Grundlegend für alle, die GOMS praktisch implementieren wollen.
  • John, B. E. (Hrsg.) (2007).
    Cognitive Models in Human-Computer Interaction: Theory, Tools and Applications.
    Interner Lehrband des HCII, nicht im Handel erhältlich – verwendet in den Graduate Courses der Carnegie Mellon University.
    → Zusammenstellung zentraler Vorlesungsskripte, Projektberichte und Modellierungsansätze aus Johns HCI-Lehre. Unveröffentlicht, aber in Fachkreisen intensiv genutzt.
  • Anderson, J. R. (1990).
    The Adaptive Character of Thought.
    Hillsdale, NJ: Lawrence Erlbaum Associates.
    → Grundlagentext zur kognitiven Architektur ACT-R, mit der Johns Modelle konzeptionell verwandt sind.
  • Newell, A. (1990).
    Unified Theories of Cognition.
    Cambridge, MA: Harvard University Press.
    → Das Werk, auf das Johns methodische Haltung maßgeblich zurückgeht. Grundlage für die Verbindung von Psychologie und KI.

Online-Ressourcen und Datenbanken

  • ACM Digital Library
    https://dl.acm.org
    → Primäre Publikationsplattform für Johns Artikel auf CHI, IUI und TOCHI. Zugang zu Originalartikeln und Konferenzbänden.
  • Google Scholar – Prof. Bonnie E. John
    https://scholar.google.com/citations?user=U5xUZT0AAAAJ
    → Aktuelle Übersicht über ihre Zitationen, h-Index, Co-Autoren und Veröffentlichungshistorie.
  • CogTool Open Source Repository (SourceForge)
    https://sourceforge.net/projects/cogtool/
    → Freier Zugang zu CogTool, inklusive Handbuch, Beispielprojekten und Simulationsergebnissen. Wertvoll für praxisorientierte Forscher und UX-Teams.
  • Human-Computer Interaction Institute (CMU)
    https://www.hcii.cmu.edu
    → Übersicht über das Lehr- und Forschungsprogramm, das John maßgeblich mitgestaltet hat. Zugriff auf aktuelle Projekte, Kurse und Instituteinträge.
  • IBM Research Alumni
    https://research.ibm.com
    → Profilseite von Bonnie E. John im Rahmen ihrer Tätigkeit bei IBM. Enthält auch Referenzen zu Projekten im Bereich Explainable AI.
  • SIGCHI – Special Interest Group on Computer-Human Interaction
    https://sigchi.org
    → Plattform der ACM für HCI-Forschung. Dokumentiert Johns Mitgliedschaft, ihre CHI-Vorträge, Panels und Community-Engagement.
  • Interaction Design Foundation – GOMS
    https://www.interaction-design.org/literature/topics/goms
    → Didaktisch aufbereitete Einführung in GOMS für UX-Professionals. Nennung von John als Co-Entwicklerin und Verlinkung zu weiterführenden Ressourcen.

Share this post